Bilderstürmer in der Levante – Die Zerstörung antiker Stätten in der Mittelmeerwelt

Am 28. November 2019 konnte die Societas Annensis erneut Prof. i.R. Dr. Klaus Stefan Freyberger als Referenten am Gymnasium bei St. Anna begrüßen. Der renommierte Archäologe und ehemalige wissenschaftliche Direktor des DAI Rom, der ab 1996 für mehrere Jahre als Leiter der Außenstelle des DAI Damaskus in Syrien tätig war, bot einen Einblick in die vorwiegend durch den IS zerstörten Kulturstätten. Den Fokus legte er auf Hatra und Palmyra.

Hatra, heute eine weitgehend zerstörte Ruinenstadt, liegt am Steppenrand und in der ehemaligen Grenzregion zwischen dem Römischen Reich und dem Partherreich. Das Zentrum dieser an einer wichtigen Handelsstraße nach Palmyra liegenden Stadt bildete das Heiligtum des Sonnengottes. Von Saddam Hussein restauriert und seit 1985 Weltkulturerbe wurde die Stadt 2015 weitgehend vom IS zerstört, nach deren Interpretation es sich bei den Kultbauten um „Teufelszeug“, also Abgötterei handelte, diese also nicht mit dem Islam vereinbar seien.

Die Oasenstadt Palmyra lag an der berühmten Handelsstraße, die von Damaskus über Resafa zum Euphrat lief und auf der Luxusgüter transportiert wurden, deren Hauptabnehmer Rom war. Das wichtigste Heiligtum Palmyras war der Tempel des Bel, 2015 von den Islamisten gesprengt und gleichsam ausradiert. Ein rätselhaftes Baudenkmal des heiligen Bezirks, der eine Größe von 200 x 200 m umfasst, ist ein erhaltener Kubus, dessen Funktion bis heute ungeklärt ist. Man weiß, dass es sich um das Wohnhaus einer Gottheit handelte, deren Allerheiligstes geschützt war. Daher wurde der Kubus immer wieder ummantelt. Ein Vergleich mit der Kaaba in Mekka drängt sich geradezu auf und so kann man, wie Prof. Freyberger ausführte, sagen, dass der IS mit der Zerstörung der Kuben, die man für römisch hielt, unkundig der eigenen Geschichte die Wurzeln seiner eigenen Kultur zerstört hat.

Prof. Freyberger wies darauf hin, dass die Kultbauten in Palmyra seit jeher sehr gut dokumentiert seien. Derzeit machen sich Wissenschaftler mit Hilfe moderner Technik ein Bild davon, wie stark die Zerstörungen sind. Inzwischen ist die Palmyra wieder unter Kontrolle der syrischen Armee. An einen Wiederaufbau ist angesichts der angespannten Lage in Syrien vorerst nicht zu denken.

Über die Zerstörungen antiker Stätten durch moderne Bebauung oder durch Nutzung als Steinbruch berichten die Zeitungen nicht. Deshalb ist es dem Archäologen Freyberger ein Anliegen, auch auf diese Formen der Zerstörung hinzuweisen, die sich im Stillen vollziehen.

Die Erhaltung und der Schutz des antiken Erbes als Aufgabe und Verpflichtung des Archäologen – damit erinnerte Prof Freyberger abschließend an Khaled al-Asaad, den  Direktor der Antikensammlung von Palmyra, der vom IS hingerichtet wurde, weil er sich weigerte, die versteckten Artefakte des Museums herauszugeben.

Der Dank der Societas sowie des begeisterten Publikums gilt Prof. Freyberger, der seinen Zuhörern wie schon bei seinen früheren Vorträgen auf anschauliche Weise und mit einem lebendigen Vortrag das Schicksal der Kultstätten in der Levante – Opfer religiösen Wahns wie auch geschichtsvergessener moderner Bausucht – nahebrachte.

(Renate Wohlmuth)