Vernissage ‚Holzbildhauerei‘ (P-Seminar Kunst 2016/18)

Die Vernissage am 24. Januar 2018 im Treppenhaus des E-Baus begann mit zwei Stücken am Klavier, Chopin und Prokovjew, meisterhaft vorgetragen. Und damit war das Motto des Abends schon vorgegeben, schwungvoll beseelt und überschäumend expressiv, in ganz eigenem Stil. Herr Fiener vermittelte uns dann etwas vom Geist der drei Semester, in denen sich Schüler und Lehrer gemeinsam dem massiv gewachsenen Holz aussetzten. Am Anfang standen die angelieferten großen Baumstämme, Pappeln. Erst einmal hieß es: Annäherung an die wuchtigen, unhebbar schweren Stämme, Entfernung der Rinde, erste Erfahrungen mit dem Werkzeug, der Versuch, ins Material zu gehen. Es entstehen auch schon erste filigranere Details, aber alles noch Fingerübungen, die dann bei der weiteren Zerteilung der Stämme mit der Kettensäge wieder verschwinden.

Jetzt steht jeder vor seinem eigenen Trumm Holz. Wie soll es weitergehen? Der Lehrer zeigt es nicht. Das Motto des Seminars: Macht selbst! Das rohe Holz vor sich, manche Idee in sich, die Werkzeuge griffbereit, keine Erfahrung. Also, was bleibt auch anderes übrig, es wird losgelegt, Woche für Woche, Doppelstunde für Doppelstunde, erst zögerlich, was machen die Anderen, Hoffnung auf Inspiration oder wenigstens Tipps. Dann erste Teilerfolge, Entwicklung eigener Fähigkeiten, immer besseres Gefühl für Werkzeug und Material. Und ehe man sichs versieht, ist man schon im künstlerischen Prozess. Mühen, Probleme, Durchhänger, Durchbrüche, Zwischenerfolge, ein Ziel vor Augen, der Endtermin rückt näher.

Am Ende dann, tatsächlich: Jede und jeder hat ein Werk geschaffen, sein Werk. Die riesigen Blöcke sind transformiert. Aus dem natürlichen Rohstoff ist Kunst geworden. Jeder Einzelne hat es für sich bewältigt, mit mehr oder weniger Hilfestellung. Aber zweifelsfrei, es ist eine eigene Leistung entstanden, von beeindruckender Größe und Form, in der Gemeinschaft des Seminars. Die Werke sind nicht nur bestens vorzeigbar, nein, sie begeistern die Schöpfer und sie beeindrucken die Betrachter, Schulleiter, Lehrer, Eltern, Geschwister. Auch der Vertreter der Ehemaligenvereinigung sieht, dass hier etwas entstanden ist, was auch er gern einmal zu Schulzeiten hätte schaffen wollen, wenn er damals auch nur geahnt hätte, dass doch auch er die Holzbildhauerei draufgehabt hätte.

Und so steht heute, am 24. Januar 2019, der Berichterstatter vor einem atemberaubend gut gelungenen Löwenkopf, einem monströsen Kerl. Und daneben die Schöpferin, die ihn nie und nimmer auch nur einen Millimeter weit aus eigener Kraft bewegen könnte, aber diesen vor Kraft strotzenden Löwen ganz wunderbar in Form gebracht, allerbestens proportioniert, Erhabenheit und Bewegung in ihn gelegt hat. Und einfach beeindruckend sind rdie vielen gelungenen Details, wie etwa der Auswuchs im Holz, der die wulstige Stirn bildet. Was soll da ein Profi eigentlich noch besser machen?

Der Berichterstatter nimmt die Treppe hinauf, vorbei an einem grimmig blickenden Wächter, grobschlächtig und aus einem Guss hingehauen wie aus der Südsee. Und schon steht er vor einer monströsen Hand mit erhobenem Zeigefinger und knallrot lackierten Fingernägeln, deren Schöpfer ihm durchaus stolz von der Genese seines Werks erzählt; gerät dann auch gleich schon in den Bann eines springenden Pferdes, dessen Schöpferin zwar um Nachsicht für die roh gebliebenen Hinterbeine bittet, auf denen das sich aufbäumende Pferd steht, aber ebenso wie der Betrachter sieht, dass auch dieser Übergang des roh belassenen Sockels in den filigran ausgearbeiteten oberen Teil den Reiz des Werks durchaus noch erhöht. Weiter vorbei an einem Totenschädel mit Totenkopfnachtfalter, einer Arbeit, die ein ganz eigenes Kapitel verdient hätte,  da folgt schon die fröhlich winkende Null ohne Ohren und schließlich auf der Empore zur Trias aus Denkerin, Faktotum und  Ritter aus dem Weltall.

Und dann zurück, da war ja auch noch der grünäugige Hasenhund, der nicht weiß, ob er artig Männchen machen will oder den Betrachter im nächsten Moment anspringt, der Denker von der lächerlichen Gestalt, Messer und Gabel, herausgearbeitet aus einer großen Stammverzweigung, weitere Objekte von zunächst verblüffender Vielfalt, die sich bei näherer Betrachtung mehr und mehr erschließen und öffnen zu höchst individuellen Gestaltungen. Abgerundet wurde die Vernissage durch einen bebilderten Werkstattbericht, der jeweils Momente und Zwischenschritte vom Baumstamm zum Werk festhielt.

 

Zum Ende der Veranstaltung beschwingt nach Hause mit angeregten Gedanken:

-Jeder Mensch hat das Zeug zum Künstler in sich? Ja, offensichtlich!

-Kunst ist nicht nur das vom Betrachter in Augenschein genommene Endprodukt, sondern ein Schöpfungsprozess, in den im Idealfall auch der Betrachter einbezogen wird.

-Hatte womöglich Rainer Maria Rilke mit seinem Gedicht vom Sanftesten Gesetz auch das P-Seminar Holzbildhauerei des Gymnasiums bei St. Anna im Blick auf dessen Weg zum Abitur:

„Wir lieben Dich, Du hartes, schweres Holz

an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen.“

 

(Thomas Kemmerling, stellvertretender Vorsitzender der Societas Annensis, die, wie die Schulleitung dankend hinzufügt, Sponsor des P-Seminars war)