Albert von Schirnding zu Gast am ‚Anna‘

Auf Einladung der Societas Annensis war Albert von Schirnding am Abend des 28.11.2018 an unserer Schule zu Gast, um aus seinem 2017 erschienenen Buch “Albergo Sole. Erinnerung an dreißig römische Lieblingsorte” zu lesen. Albert von Schirnding, ehemals Gymnasiallehrer in München, hat Gedichte, Erzählungen und Essays veröffentlicht und wurde vielfach ausgezeichnet. Seine in sechseinhalb Jahrzehnten fast immer mit Schülern unternommenen Romfahrten sind in sein Buch eingegangen, gruppiert um dreißig Orte – eine literarische Topographie der Erinnerung. In feuilletonistischen Miniaturen stellt er seine Lieblingsorte in der Ewigen Stadt vor, wobei sein Interesse nicht nur den archäologischen und kunstgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt gilt, sondern immer wieder auch den Menschen, für die Rom zum Schicksalsort geworden ist.

„Wer im Sole wohnt, darf sich im Herzen Roms fühlen. Geht man die Treppe von der Rezeption auf die Via del Biscione hinunter, steht man auf den Sampietrini einen Augenblick wie festgebannt: Alle vier Himmelsrichtungen locken mit gleicher Anziehungskraft.“ Und lesend begleitet Albert von Schirnding seine Zuhörer zu ausgewählten Lieblingsorten, besucht die schlafende Erinnye im Palazzo Altemps, steigt hinauf aufs Kapitol zum Reiterstandbild des Kaisers Mark Aurel – einem Stellvertreter, das Original heute bewahrt im neuen Pavillon des Konservatorenpalasts – , steht vor dem Grab Raffaels im Pantheon, den vielfachen Übersetzungen des berühmten Grabepigramms auch eine eigene hinzufügend. Er bedauert, dass die beliebte Schülerunterkunft Casa Pallotti in der Via dei Pettinari, von der aus man über den Ponte Sisto in Kürze Trastevere erreichte, in ein teures Hotel umgewandelt wurde und damit auch Domenicos Trattoria verschwunden ist. Auf der Piazza Colonna, benannt nach der Säule Mark Aurels, blickt er zum heiligen Paulus empor, der jetzt den Philosophen auf dem Kaiserthron ersetzt, und spaziert schließlich von dort aus nach Sant’Agostino, um den unerhörten Realismus der Madonna dei Pellegrini von Caravaggio zu bestaunen und über das Wesen der wahren Pilgerschaft nachzudenken.

Aufmerksam und gebannt folgten die Zuhörer von Schirndings Wanderungen durch Rom und fanden sich unversehens wieder in der Erinnerung an eigene Romreisen. Rom – ein Sehnsuchtsort? „Ich werfe keine Münze in den Brunnen, ich will nicht wiederkommen.“ So schreibt Günter Eich 1963 in seinem Gedicht “Fußnote zu Rom” – und Albert von Schirnding zitiert und kommentiert diese Verse im Jahr 2017: „Auch ich habe nie eine Münze in den Brunnen geworfen, werde es nie tun. Aber noch jedesmal wollte ich wiederkehren.“

Mit anhaltendem Applaus dankte das Publikum dem Gast für seine ausdrucksstarke Lesung. Gerne erfüllte er noch die vielfachen Signierwünsche seiner beeindruckten Zuhörer.

(Renate Wohlmuth)