Vortragsreihe Academia Annensis: Aktuelles aus der Herzchirurgie

Am 26.04.2018 war der renommierte Herzchirurg Prof. Dr. Paolo Brenner aus München zu Gast am Gymnasium bei St. Anna und hielt für die 11. Jahrgangsstufe einen Vortrag über aktuelle Forschungsgebiete und seine Arbeit am Klinikum Großhadern sowie am Walter-Brendel-Institut der LMU, dem „Silicon Valley“ der medizinischen Forschung. Der Themenbereich umfasste Herz-Kreislauf-Erkrankungen, den Einsatz von Kunstherzen in Patienten und Xenotransplantationen als Zukunftsvision. Dabei erhielt das Publikum auch einen beeindruckenden Einblick in die aktuellen Möglichkeiten der  Gentechnik. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen in der deutschen Wohlstandsgesellschaft die Todesursache Nr. 1 dar. Der Referent erklärte zunächst wesentliche akute sowie chronische Symptome und Ursachen verschiedener Anomalien. Invasive und nicht-invasive Methoden zur Diagnostik und zur Therapie wurden anhand vieler Fotos und Abbildungen veranschaulicht. Mechanische Herz-Kreislauf-Unterstützung, etwa durch „assist device implantations“, ist auf vielfältige Weise einsetzbar: in Form von Rotationspumpen, Turbinen und bioartifiziellen Hydraulikherzen. Diese Kunstherzen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Materials und durch diverse Vor- und Nachteile voneinander (wie den Einfluss auf die Blutgerinnung) und werden im Klinikum Großhadern bereits durchschnittlich 200 Mal im Jahr in Patienten eingesetzt. Auch Fotos von „Huckepack-Herzen“ (implantiertes Zweitherz) wurden gezeigt.

Anschließend erklärte Prof. Dr. Brenner den Ablauf und die Voraussetzungen von Herztransplantationen und gab einen Einblick in deren Geschichte: In den Anfängen der Forschung arbeiteten einige Pioniere – Vorreiter waren die Amerikaner – an einer Herz-Lungen-Maschine. Der Russe Demichow „erfand“ das Kunstherz und veröffentlichte 1962 international die „Bibel“ der Organtransplantationen. Er führte erfolgreich die erste Herz-Lungen-Transplantation durch.

Auf Grund des hohen Organbedarfs und des Mangels an Spenderorganen ist die Forschung über Xenotransplantationen notwendig geworden. Darunter versteht man den Einsatz eines Organs in ein artfremdes Lebewesen. Da höhere Primaten, die dem Menschen biochemisch am ähnlichsten sind, unter Artenschutz stehen, wird derzeit erfolgreich mit Schweineherzen gearbeitet. Diese werden zu Forschungszwecken in Paviane implantiert. Die Arbeit mit Schweinen ist zwar ethisch unproblematisch, aber durch die geringe Verwandtschaft der Arten (diskordante Xenotransplantation) kommt es zu heftigen immunbiologischen Abwehrreaktionen beim Empfänger. Allerdings gelang den Wissenschaftlern 2017 diesbezüglich der Durchbruch: Es gelang, die Rezeptoren von T-Zellen des Immunsystems mit Antikörpern zu blockieren, was zur Immunsuppression führte (Kostimulationsblockade, Science 2017). Diese Methode verringert die Sterblichkeit der Empfängerindividuen erheblich. Jedoch sind noch andere Herausforderungen zu bewältigen, z. B. die Hemmung der Komplementkaskade, die auftritt, wenn die Blutgerinnungssysteme nicht kompatibel sind, sowie das Wachstum der Schweineherzen im Empfänger. Des Weiteren müssen Retroviren, die ggf. im Genom von Schweinen integriert sind, durch gentechnische Methoden kontrolliert werden.

Die Schüler/-innen bekamen auch Informationen über die Transplantation anderer Organe und den derzeitigen Forschungsstand im Klinikum Großhadern in München: So wird gerade an der Xenotransplantation neuronaler Schweine-Gehirnzellen gearbeitet – zum Einsatz in Parkinson-Patienten. Auch Hornhaut vom Schwein soll übertragen werden. Eine große Chance besteht darin, menschliche Organe im Schwein heran zu züchten (Blastocysten-Komplementation).

Nach dieser beeindruckenden Informationsvielfalt folgte eine 25minütige Phase mit vielen, gut reflektierten Schülerfragen, u.a. zur Durchführung und Vorbereitung von Transplantationen, die das große Interesse am Vortrag widerspiegelten. Dabei wurde auf den Umgang mit dem Patienten und die psychologischen Faktoren eingegangen, die derartige Therapiemethoden mit sich bringen. Auch wirtschaftliche und soziale Fragen, z.B. nach Kosten der OPs in Abhängigkeit vom Versicherungsstatus, kamen auf. Prof. Dr. Brenner stellte dem jungen Publikum auch empfehlenswerte Literatur vor, die noch andere Themen umfasste, welche gegenwärtig und in naher Zukunft aktuelle Forschungsgebiete darstellen, etwa weiße und schwarze Löcher, Raumfahrt, Bitcoins, Anti-Aging etc.

Der hochwissenschaftliche Vortrag, der durch konkrete Beispiele sehr anschaulich war, stellte einen großen Gewinn für unsere Schule dar – herzlichen Dank dafür an den Referenten, den Herr Brenner ans ‘Anna’ holte, ferner an die Societas Annensis als Förderer der Academia Annensis, die sich wiederum der Initiative von Herrn Schwertschlager verdankt.

(Sandra Sinclair)